Unser Leben ist gewöhnlich, las ich in einer zerknüllten Zeitung, die jemand auf der Bank hatte liegen lassen. Unser Leben ist gewöhnlich, las ich bei dem Philosophen. Das gewöhnliche Leben, Tage, Sorgen, bisweilen ein Konzert, ein Gespräch, ein Spaziergang am Stadtrand, eine gute Nachricht, eine schlechte –. Aber Gegenstände und Gedanken waren gleichsam unvollendet, nur skizziert. Häuser und Bäume dürsteten nach etwas anderem, und im Sommer lagen die grünen Wiesen auf dem vulkanischen Planeten wie ein Mantel auf dem Ozean. Die schwarzen Kinos dürsten nach Licht. Die Wälder atmen fieberhaft, die Wolken singen leise, der Pirol fleht um Regen. Das gewöhnliche Leben dürstet.
Adam Zagajewski Edition Lyrik Kabinett bei Hanser |
Montag, 4. Dezember |
Das Gewöhnlich e Leben |