Freitag, 15. Dezember

Visite zum dritten

Chirurgen, Klempner -

zwei Berufe, ein Blick.

Sie sehn deinen Körper,

sie sehn deine Küche

und fragen entgeistert

vor Narbe, vor Leitung: 

„Wer hat Ihnen die denn gemacht?!“

 

Visite zum vierten

„Herr Doktor, diese Geräusche –„

„Bin Pfleger, kein Doktor.“

„Frau Doktor, diese Geräusche

am Herzen- „ „Bin Praktikantin.

„Als ob da ein Tierchen

an den Gefäßen nagte-„

„Fragen Sie Ihren Arzt oder Kammerjäger!“

 

Beschwichtigung zum ersten

„Du mittlerweile 

ist das doch Routine!

Die legen dir Bypässe, 

wie du es brauchst!

Der Walter hat sieben

und raucht schon wieder -

Richtig Pech, daß ich Nichtraucher bin.

 

Einmal Dichter – immer Dichter!  Robert Gernhardt musste sich einer Bypassoperation unterziehen. Im  Krankenhaus schrieb er  Tagebuch und zwar jeden Tag. Jeder Eintrag hat die gleiche Länge und eine ähnliche Form. Aus dem „Tagebuch eines Eingriffs in einhundert Eintragungen“ zitiere ich einige. Ob sie Erinnerungen wecken bei ähnlichen Erfahrungen?

 

 

Herz in Not                               

 

Robert Gernhardt 

In der Anmeldung der

Kerckhoff-Klinik Bad Nauheim

„Ein Einzelzimmer?“

Mal sehn, ob eins frei ist.

Das hängt immer davon ab

von dem, was hier anfällt.

Den Vortritt haben

Transplantpatienten.“

Und ich bin ja nur ein Bypass.

 

Er betrachtet sein Herz via Katheter

Das ist mal was Neues!

Mein Herz auf dem Bildschirm

Schwarz-weiß doch der Arzt

Sieht auch so schon genug

Da siehts nicht gut aus

da nicht und da nicht -

was ist ? Ist Ihnen nicht gut?“

 

Psalm 61 Vers 3

„Hienieden auf Erden

rufe ich zu dir,

wenn mein Herz in Angst ist“ –

so steht es in Schönschrift

links neben dem Kühlschrank,

den ich ungläubig öffne:

Reklame sogar in der Krankenhausküche.

 

Sonntagmorgenandacht

„Bis hierher hat uns* Gott gebracht in

seiner großen 

Güte -

vielleicht sollte 

mal jemand dem Chor

im Haus-Sender stecken,

daß er vor Krankenhausinsassen singt.

 

Im Atrium der Kerckhoff-Klinik

Zwei Post-Ops entblößen

stolz ihre Beine:

„Ist das eine Narbe?“

„Und erstmal meine!“

Sie sind voller Lob

für das Haus und sich selber:

„Hier wirst du nur operiert,

wenn du topfit bist!“

 

Visite zum ersten

Die tapern durch Flure

in Pyjamas, im Turnzeug,

die eilen durch Zimmer

in blendendem Weiß -:

Das sind zwei Klassen,

Nein Rassen, nein Arten:

Die Aufgeschnittenen und die Aufschneider.

Beschwichtigung zum dritten

„Fünf Tage drauf

saß X schon im Flieger.“

“Heute ist Y 

fit wie ein Turnschuh.“

“Seither hat Z ständig –„

Was?“ „Ach, vergiß es!“

Das muß ich mir merken!

 

Praktikantin Pega

Groß ist die Medizin

der weißen Männer.

Klein ist Pega

und von persischem Schwarz.

Wer hat ihr beigebracht,

daß man Menschen auch streicheln kann?

Ein weißer Medizinmann jedenfalls nicht.

 

Entlassung

Letzter Tag

im ersten Haus,

dem ich mich ganz öffnete.

Möge es auch

das letzte bleiben,

das von sich sagen kann:

Mir hat er sein Herz entblößt.