Weihnachten II

26. Dezember

Zu  der Wirklichkeit, die wir gerade erleben, gibt es tatsächlich  mehrere Möglichkeiten, wie das Geschehen um uns herum auch ablaufen könnte. Dazu passt der Gedanke Robert Musils, den er in einem Kapitel seines bekannten Romans: „Der Mann ohne Eigenschaften“ so formuliert:

Wenn es einen Wirklichkeitssinn gibt, muss es auch einen Möglichkeitssinn geben. Der eine sagt, was ist und voraussichtlich geschehen wird. Der andere ist sozusagen die Fähigkeit herauszufinden, was geschehen könnte und sollte.

Ein mögliches Erlebnis oder eine mögliche Wahrheit sind natürlich nicht gleich wirklichem Erlebnis und wirklicher Wahrheit… sondern sie haben … in sich ein Feuer, einen Flug, einen Bauwillen … der die Wirklichkeit nicht scheut,  sie aber als Aufgabe und Erfindung behandelt.

Soweit meine Erinnerung an die Predigt und an das, was ich bei Musil nachgelesen habe.

Als  Christin fühle mich von der Seite des Möglichkeitssinnes angesprochen – die zum Handeln auffordert, sich mit den wirklichen Gegebenheiten nicht abfinden will. Aber bevor mir der Mut angesichts meiner schwachen Kräfte sinken will, kommen mir  Worte aus der Bibel in den Sinn:  z. B. bei Matthäus 19, Vers 26 

Jesus sah sie an und sagte zu ihnen:

 „Für Menschen ist es unmöglich. Aber für Gott

ist alles möglich.“

 Christel Fleischmann

Wirklichkeitssinn – Möglichkeitssinn 

Was ich mir von einer Predigt im September gemerkt habe:

Da war an diesem Sonntag der Gottesdienst  wirklich sehr spärlich besucht.

Die Pfarrerin oben auf der Kanzel begann ihre Predigt mit diesem Gedanken:

Wie wir ja wissen, geht durch die vielen Austritte, aber auch wegen der Altersstruktur der Bevölkerung die Zahl der Kirchenmitglieder stetig zurück. Experten rechnen damit, dass im Jahr 2050 sich nur noch 10 % der Deutschen einer der Kirchen zugehörig fühlen.

„Was für ein Predigtanfang?“, denke ich erschrocken. Irgendwie kommt es mir vor, als ob auch den anderen Menschen vor und hinter mir der Atem stockt. Ausgerechnet uns  – diesem  kleinen Häuflein  „Getreuer“-  wird die Gedankenlast der schwindenden christlichen Gemeinschaft aufgebürdet.

Aber dann änderte sich die Stimme der Pfarrerin plötzlich mit dieser Frage: „Aber muss es eigentlich wirklich so kommen, wie die Experten das voraussagen? Könnte nicht auch das möglich sein:  Die Menschen entdecken den christlichen Glauben wieder neu. Bibeln führen die Bestsellerliste an.  Jeden Sonntag strömen die Leute zum Gottesdienst.